Da sind sie wieder – die alten Tabancos

Über die Tabancos kann man sich der Jerezaner Kultur fast am besten annähern. Vor knapp 200 Jahren gab es davon über 90. Doch nach und nach starben sie Mitte des 20. Jhd. fast aus. Wer in Jerez hip und modern sein wollte, trank Bier oder Longdrinks. Mit der Krise ab 2010 hatte sich das mit den Longdrinks jedoch vorübergehend erledigt – jedenfalls unter dem jungen Publikum und den Arbeitslosen – einfach weil die nötigen Peseten besser in preiswertere Getränke wie Bier angelegt wurden, denn der Abend sollte ja noch eine Weile dauern. 

So ab 2012 besann sich jedoch auch das Jungvolk wieder auf eine Tradition, die seit dem 18. Jh. bis zur Zweiten Republik zuverlässig schwarze Zahlen schrieb; die alten Tabancos, in denen auf unprätentiöse Weise aus Fässern im offenen Ausschank die verschiedensten Sherry-Typen Jerezaner Bodegas ausgeschenkt wurden. Es gab Anfang des 19. Jhd.  Jahre, in denen durchschnittlich 1000 Fässer à ca. 300 Liter in den Tabancos ausgeschenkt wurden. Und Jerez hatte damals 30.000 Einwohner. Und da Frauen eh keinen Zutritt hatten kann man von 10.000 trinkenden Einwohnern (Kinder ausgenommen) sprechen. Alle Achtung!

Damals waren die Tabancos, die einen zweifelhaften Ruf genossen und eindeutig zu den Etablissements der Proletarier zählten, eine gute Einnahmequelle für die Bodegas de Crianza und Almacenaje, die ihre Weine nicht exportieren durften, sondern diese für den „letzten Schliff“ an die Bodegas de Exportación weitergegeben haben. Beispielsweise der Tabanco El Pasaje hat bis heute Fass-Sherries ausschließlich von Maestro Sierra; eine Kellerei, die erst in den 1990er Jahren anfing, ihre Weine selbst abzufüllen und zu verkaufen.

Diese Tabancos also waren damals knackevoll und sind es auch seit einigen Jahren wieder, Gott sei Dank. Dieser Boom hat sicher auch damit zu tun, dass man erkannt hat, dass nicht alles neu und poppig und mit viel Schnickschnack ausgestattet sein muss, um junges Publikum anzuziehen, sondern dass die alten Jerezaner Eckkneipen, Stadtpaläste, Durchgangsbars und Kutschen-Garagen mit ihren alten Mauern einen Charme verströmen, der künstlich nicht herzustellen ist. Und der vom wiederentdeckten Stolz der Jerezaner auf ihre Traditionen und ihren Wein erzählt. Dort stehen nicht etwa nur alte Männer, die am Tresen in lange zurückliegenden Erinnerungen schwelgen, als die großen und auch kleinen Bodegas ihnen noch ihr Auskommen sicherten, sondern da steppt ab nachmittags der Bär. Und zwar mit jungen und etwas älteren, modernen, ausgehfreudigen und genussorientierten Menschen, die dort entweder ihren Aperitif nehmen, oder gleich den ganzen Abend verbringen. Und ausgeschenkt wird: Sherry! Wie damals! Entweder aus Fässern oder Flaschen. Manche stehen mit einer bestimmten Kellerei unter Vertrag, die meisten jedoch nicht.

Die Tabancos sind die perfekten Orte, um einen wunderbaren Überblick über die Jerezaner Sherry-Landschaft zu bekommen, und das zu einem erstaunlich günstigen Preis.  [Über den Teufelskreis der Sherry-Preispolitik wird in einem anderen Artikel geschrieben.]

Haus-Sherries jeden Typs werden im sturzfesten vaso de mosto  für meistens 1 Euro über den Tresen geschoben. Gereiftere Marken aus Flaschen dann auch mal für mehr. Doch dass man hier auch 40 jährige Raritäten für ca. 4 -5 Euro bekommt, würde der  vinophile Nachbar aus dem Norden schlicht als incroyable  abtun.

Zu den regionalen Tropfen in rustikalem Ambiente kann man sich auch noch in Sachen regionale Käse und Wurstwaren weiterbilden. Ganz früher gab es wirklich nur Wein, ab und zu vielleicht Oliven und altramuces, aber das war´s.  Heute werden auf kleinen Holzbrettchen, die manchmal aussehen, als seien sie aus der Zweiten Republik doch noch aufgehoben worden – für alle Fälle – oder auf einfachem Wachspapier, wahre Köstlichkeiten angeboten. Neben Käse und verschiedensten Salamis aus der Sierra de Grazalema sollte man unbedingt die salazones und conservas der nahegelegenen Costa de la Luz probieren. Es handelt sich um Luftgetrocknetes und Eingelegtes vom Thunfisch, Muscheln oder andere marinierte Meeresfrüchte, in einer Qualität, nach denen Sie sich hier in Deutschland die Hacken abrennen können.  

Wer also ein paar Tage in Jerez verbringt, sollte sich unbedingt ein paar dieser alten Schmuckstücke ansehen. Dabei sind vor allem Folgende zu erwähnen:  Tabanco Plateros, La Pandilla, El Guitarrón, San Pablo, Las Cuadras, El Pasaje und Las Banderillas. In letzterem kann man auch großartig essen. Also, einfach unters Volk mischen und sich treiben lassen.